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Urteil #1
Haftung eines Produktionsleiters für eine Budgetüberschreitung
Oberlandesgericht München vom 12.12.96
(abgedruckt in ZUM-RD, 3/97, S. 125ff)
Der Sachverhalt:
Bei einer Fernsehauftragsproduktion für das ZDF wurde
das Budget um ca. DM 270.000,- überschritten. Die Produktionsfirma
sieht den Produktionsleiter als verantwortlich an und fordert von diesem
einen (reduzierten) Schadensersatzbetrag von DM 155.000,-.
Der beklagte Produktionsleiter wehrt sich hiergegen, er
habe eine realistische Kalkulaltion vorgenommen. Diese als 'vorläufig'
bezeichnete Kalkulation habe die Produktionsfirma jedoch gegenüber
dem auftraggebenden Sender herunter-"frisiert", um diesen und weitere
Aufträge zu bekommen. So wurden nach dem Sendergespräch die
vom Produktionsleiter kalkulierten Nettoherstellungskosten zu Brutto-Herstellungskosten
also inklusive den Handlungskosten und dem kalkulierten Gewinn umgewidmet.
Die realen Kosten seien damit um ca. 110.000,- reduziert worden. Der Produktionsleiter
machte mit "Memo"s darauf aufmerksam, daß ohne Drehbuchänderungen
und damit verbundenen Einsparungen das neue Budget nicht zu halten sei.
Im Verlauf der Dreharbeiten wurden zwischen den Parteien Buchänderungen
und Kürzungen besprochen, auch weitere Kalkulationen vorgelegt, die
jedoch alle das mit dem Sender abgeschlossene Budget überschritten.
Das Urteil:
Das Oberlandesgericht hat schon wie das Landgericht die
Klage abgewiesen. Entscheidend für das Gericht war, daß nach
Sachlage keine rechtsgeschäftlich
verbindliche Vereinbarung zwischen den Parteien vorlag, mit der der Produktionsleiter
die Einhaltung des Budgets garantiert hätte. Eine solche Haftungsübernahmeerklärung
hätte ausdrücklich oder konludent abgegeben werden müssen.
Eine ausdrückliche, zum Beispiel schriftlich fixierte Haftungsübernahme
zum Beispiel in dem Anstellungsvertrag oder einem Bestätigungsschreiben
lag nicht vor. Allein aus der Übertragung der Vollmacht, für
die Produktion die notwendigen Rechtsgeschäfte im Rahmen der Kalkulation
abzuschließen, hat für die Annahme einer Haftungsübernahme
nicht ausgereicht. Auch die Erstellung eines neuen, reduzierten Budgets
beinhaltete nicht den rechtsgeschäftlich notwendigen Willen, für
dessen Einhaltung zu garantieren. Anderweitige Tatbestände, aus denen
konkludent, also aus dem Verhalten des Produktionsleiters schlüssig
dessen Wille zur Haftungsübernahme geschlossen werden könne,
konnte das Gericht nicht erkennen. Insofern wurde die Klage der Produktion
abgewiesen.
Resumé:
Das Urteil stellt klar, daß das Risiko der Budgetüberschreitung
grundsätzlich bei der Produktion liegt. Es bedarf also eines eindeutig
rechtsgeschäftlich manifestierten Willens eines Filmschaffenden,
hier des Produktionsleiters, wenn dieser die Haftung für das Budget
übernehmen will. Dieser Grundsatz kann mit Sicherheit auch auf einzelne
Abteilungen wie Bau, Ausstattung, Kostüm etc. angewandt werden. Eindeutig
wäre eine schriftliche Vertragsklausel oder Bestätigung, in
der der Filmschaffende die Einhaltung des Budgets bzw. seines Teilbudgets
garantiert. Inwieweit durch konkludentes Handeln dieser Garantiewille
zum Ausdruck und danach später als solcher rechtsverbindlich anerkannt
werden wird, kann jedoch nicht allgemein, sondern nur an Hand des Einzelfalls
festgestellt werden. Insofern ist also beidseitig Vorsicht geboten. Will
sich der Produzent entsprechend gegenüber seinem Beauftragten absichern,
sollte er dies schriftlich tun und sich nicht allein auf die Bemühungen
seines Mitarbeiters verlassen. Der Filmschaffende sollte umgekehrt genau
darauf achten, ob er entsprechende Haftungsgarantien schriftlich erklärt
oder er mit seinem Verhalten ggf. dazu Anlaß gibt. Hilfreich sind
in jedem Fall schriftliche Hinweise an die Produktion (Memo's), in denen
ggf. auf eine Budgetüberschreitung hingewiesen wird. Das Unterlassen
eines solchen Hinweises könnte möglicherweise zu einer Schadensersatzpflicht
aus verletzter Sorgfalts- und Aufklärungspflicht führen. In
diesem Zusammenhang wäre zudem der Verschuldensumfang zu klären,
ob also schon leichte Fahrlässigkeit ausreicht und wie sich in diesem
Zusammenhang Budget-erhöhende Faktoren wie z. B. Regiewünsche
etc. auswirken.
© 1999
Thomas G. Müller
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